Vor einiger Zeit führte ich ein interessantes Gespräch mit einem Unternehmer aus der Lebensmittelbranche. Sein Betrieb ist nicht besonders groß und er hat Probleme, die nötigen Ressourcen für seine Social-Media-Arbeit freizugeben – personell wie finanziell. Darum meinte er: »Social Media, das kann doch auch der Azubi oder der Praktikant machen.«
Nachdem ich mir innerlich die Haare gerauft und in die Tischkante gebissen hatte, fragte ich den Unternehmer, ob er den Azubi (übrigens Fachrichtung Groß- und Außenhandelskaufmann im ersten Ausbildungsjahr) oder den Praktikanten ohne fachliche Anleitung den neuen Webshop seines Unternehmens konzipieren, entwickeln und umsetzen lassen würde. »Natürlich nicht«, sagte der Unternehmer. »Darin hat er ja keine Expertise.« – »Und glauben Sie«, antwortete ich, »dass es weniger Expertise erfordert, einen Social-Media-Auftritt zu konzipieren, zu entwickeln und umzusetzen?«
»Der Praktikant ist so jung wie die anderen auf Facebook«
Jetzt stellte sich heraus, dass der Unternehmer glaubte, Facebook & Co. seien eh nur für Jugendliche interessant und darum gar nicht so wichtig. Aber das stimmt nicht, wie man am Beispiel von Facebook erkennen kann:
Wenn Sie bisher dachten, dass Sie Social Media gut und gern an die preiswerten Arbeitskräfte delegieren können – Sie sind nicht allein. Immer wieder höre ich davon, zuletzt bei allfacebook.de.
Bitte unterschätzen Sie nicht, was der Einsatz von Social Media für Ihren Betrieb bedeutet: Es handelt sich um einen immer wichtiger werdenden Marketing-Kanal. Bis zum Ende des Jahrzehnts dürfte es der wichtigste Marketing-Kanal überhaupt geworden sein. Und der muss selbstverständlich ebenso professionell betreut werden wie Ihre klassischen Marketingaktivitäten – zum Beispiel Anzeigen- oder TV-Kampagnen, Radiospots oder Imagebroschüren, Kundenmagazine und Messeauftritte. Erledigt das etwa Ihr Praktikant für Sie oder ist das womöglich doch etwas wichtiger für die Existenz Ihres Unternehmens?
Einen eigenen Facebook-Account zu besitzen, privat zu twittern oder auch ab und zu bei YouTube ein selbst gedrehtes Filmchen hochzuladen – das hat alles ebenso viel mit professioneller Social-Media-Arbeit zu tun wie das Erstellen einer Einladungskarte zum 16. Geburtstag mittels CorelDraw und Tintenstrahldrucker mit der Entwicklung eines Corporate Designs für zehntausende Euro: nämlich gar nichts. Nur also, weil der Praktikant 640 Freunde auf Facebook hat, ist er in aller Regel nicht qualifiziert, Ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit darzustellen.
Natürlich gibt es bestimmt hier und da einen Azubi oder Praktikanten, der dazu in der Lage ist – gar keine Frage. Aber meinen Sie, dass ein Auszubildender oder Praktikant grundsätzlich derart viel Verantwortung für den öffentlichen Auftritt Ihres Unternehmens tragen sollte? Schreiben Sie unten in die Kommentare!
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Naja, man sollte Azubis und Praktikanten nicht solche Brocken mit soviel Verantwortung aufbürden. Eigentlich sollte das klar sein. Mir ist aber jetzt leider gar nicht klar, ob es sich um einen Azubi zum Groß- und Außenhandelskaufmann oder tatsächlich um einen Einzelhandelskaufmann handelt 😉 Alternativ die Fachrichtung weglassen, bevor man neue Ausbildungsberufe erfindet 😀
Haha! Danke für den Hinweis! Es muss tatsächlich »Groß- und Außenhandelskaufmann« heißen.
Verschieben wir die Diskussion von Twitter hierher.
Klar hast du recht, man sollte nicht unbedingt einen Praktikanten die Social Media Kanäle von Adidas leiten lassen. Aber bei einem KMU sehe ich da wirklich wenig Probleme. Selbst wenn der Praktikant nicht weiß, wie man Snapchat oder Instagram zu Business Zwecken nutzt, er versteht doch die zugrunde liegende Funktionensweise und von dort sind es nur noch 1-2 Stunden recherche.
Sollte man die Möglichkeit haben einen Social Media Specialist frisch aus der Uni zu rekrutieren, würde ich das auch vorziehen. Aber dann wäre man vermutlich kein KMU mehr.
Gebt eurem Praktikanten 2-3 Tage Zeit zur Vorbereitung und ich glaube, das könnte ganz gut funktionieren.
Und ist das ein Praktikant, der für ein KMU arbeitet, der hier schreibt?
Möglich wäre es :p
In der letzten Woche war ich bei der AllFacebook Marketing Conference und habe an einem einzigen Tag wieder so viele mir gänzlich neue Dinge gehört oder bekannte Dinge in neuem Licht beleuchtet gesehen, Techniken, Tricks und Erfahrungen mit Kollegen ausgetauscht und Entdeckungen in Sachen Tools und Plattformen gemacht, dass ich Dir vehement widersprechen muss. Wenn Du sagst, nach zwei bis drei Tagen Vorbereitung hat jemand das Thema Social Media für Business-Anforderungen drauf, dann ist das eine erhebliche Fehleinschätzung der Komplexität der Materie. Allein der Unterschied zwischen privater und beruflicher Nutzung desselben Mediums ist gigantisch. Dazu kommt, dass eine Menge Erfahrung und häufig auch ein Haufen an Werkzeugen benötigt wird, um ein Medium sinnvoll zu bespielen, zu analysieren und zu optimieren.
Natürlich darf ein Praktikant *mitmachen*. Das *soll* er sogar. Schließlich ist er bei mir, um etwas zu lernen. Bei mir zum Beispiel schreibt meine Werkstudentin viele Blog-Artikel. Aber das macht sie unter meiner Anleitung – ich lege die Themen fest, ich redigiere die Artikel und ich bin letztendlich auch verantwortlich, falls Mist drin steht. (Auch bei Gastartikeln halte ich das so.) Und je mehr sie schreibt, desto besser wird sie. Natürlich ist das Ziel, dass sie auch für meine Kunden tätig sein kann. Aber so weit ist sie im Moment noch nicht.
Aber um reines Mitmachen geht es mir in diesem Artikel ja gar nicht. Es geht darum, dass manche Mittelständler einen Praktikanten oder Azubi den Social-Media-Bereich *verantworten* lassen. Einen Praktikanten! Einen Azubi! Was ist das für eine Respektlosigkeit gegenüber dem jungen Menschen! Der soll Dinge machen, die er noch nicht gelernt hat und die er eben auch nicht eben so in ein paar Stunden/Tagen lernen *kann*, schon gar nicht ohne fachkundige Anleitung.
Denn das wäre so, als würde der Sternekoch seinen Azubi für ein wichtiges Galadiner mal so eben zum Küchenchef befördern und dann in Urlaub gehen.
Ich lerne jeden Tag Neues kennen, erweitere täglich meine Kenntnisse, verwerfe Dinge, die bisher gültig waren und es nun nicht mehr sind. Das *kann* ich einem Praktikanten nicht zumuten. Und im Sinne meines Unternehmenserfolges *darf* ich das auch nicht.
danke, ein ganz wunderbarer beitrag, der mir aus der seele spricht! wieso darf werbung, design, public relations und social media eigentlich nie etwas kosten? auch michelangelo malte seine fresken in der sixtinische kapelle für geld. 😉
Danke, Susanne! Kosten sparen ist natürlich okay, es ist auch okay, Dienstleistungen, die man mal extern hatte, wieder ins Haus zu holen. Aber dann sollten sich auch Fachkräfte der Themen annehmen.
Hallo Gero,
dieser Beitrag macht das Dilemma deutlich, in dem viele Unternehmen stecken. Die Investition in gute Kommunikation wird nicht als solche erkannt, sondern als lästige Ausgabe, die man sich gerne verkneift. Man möchte zwar mit den großen Hunden pinkeln, bekommt aber das Bein nicht hoch. Ein Wagen für den GF darf gerne mal 30.000 Euro mehr kosten als das Fahrzeug davor. Ein zusätzliches Social Media Budget in dieser Höhe steht besser nicht zu Debatte – es gibt ja schließlich Praktikanten….
Vielen Dank, Thomas! Das spiegelt (leider) die Erfahrung wider, die ich häufig machen muss.