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Unternehmen wollen Personal finden. Am besten gut ausgebildete und hoch qualifizierte Fachleute. Doch bei der demografischen Lage auf dem Arbeitsmarkt ist das gar nicht so einfach. Seit Jahren herrscht Fachkräftemangel in Deutschland, und durch die Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge wird es in den nächsten Jahren immer schlimmer werden. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen gestaltet es sich immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden.

Nur wenige Unternehmen suchen aktiv

Egal, ob digital oder noch immer in der gedruckten Tageszeitung: Stellenanzeigen nutzen erkennbar wenig bei der Personalsuche. Auch die vielen Job- und Karriere-Portale erzeugen vorrangig Traffic auf die Karriereseiten der Unternehmen, aber liefern kaum einmal ein messbares Ergebnis. Warum warten dann so viele Personaler:innen noch immer auf die Stapel von Bewerbungsmappen, die sie nur noch von früher kennen? Warum kommen sie nicht auf die eigentlich naheliegende Idee, selbst aktiv zu suchen? Etwa auf Social-Media-Plattformen?

Einer Studie von Bitkom Research zufolge sind lediglich drei von zehn Personaler:innen aktiv online auf der Suche nach Bewerber:innen. Drei! Vor allem kleinere Unternehmen scheuen sich geradezu vor Social Recruiting. Je kleiner das Unternehmen, desto seltener findet eine aktive Ansprache in der digitalen Welt statt. Nur jede:r vierte Personaler:in (24 Prozent) in Unternehmen mit 50 bis 99 Mitarbeiter:innen nutzt laut der Studie Social Media für die aktive Personalsuche, bei Unternehmen mit 100 bis 499 Mitarbeiter:innen ist es immerhin jede:r Dritte (33 Prozent). In Großunternehmen mit 500 oder mehr Beschäftigten geben immerhin 4 von 10 (44 Prozent) Personalverantwortlichen an, auf Social Media gezielt potenzielle Bewerber:innen anzusprechen.

Dabei ist Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder mit seiner Aussage sehr klar: »Die Zeiten, in denen Unternehmen ein standardmäßiges Stelleninserat veröffentlichen konnten, um dann unter einer Vielzahl passender Bewerber aussuchen zu können, sind endgültig vorbei. Zur Kernkompetenz von Personalabteilungen muss es heute gehören, aktiv geeignete Kandidaten zu identifizieren und anzusprechen. Dafür eignen sich gerade Business-Netzwerke hervorragend.«

Er liegt richtig: LinkedIn als Business-Network ist hervorragend geeignet, Personal zu finden. Aber eben vornehmlich Menschen, die schon im Berufsleben angekommen sind, und auch nur vornehmlich Menschen mit einem sogenannten White-Collar-Job (also: Bürojobs). Um andere Zielgruppen zu erreichen, sind andere Plattformen vielversprechend. Auch Instagram kann ein erfolgreiches Tool für Ihre Personalsuche sein.

Grundsätzlich kann ein gelungener Social-Media-Auftritt Ihrem Unternehmen dabei helfen, die benötigten Mitarbeiter:innen zu finden und so Ihre personellen Lücken zu schließen. Allerdings funktioniert die Online-Personalsuche nur, wenn es auch ein vernünftiges Employer Branding gibt. Sprich: Das Unternehmen muss von der Webseite bis zu seinen Social-Media-Profilen attraktiv erscheinen, damit sich die Leute überhaupt bewerben. (Um Unternehmen den Start ins Employer Branding zu erleichtern, gibt es Agenturen wie die meine.)

Recruiting auf Instagram

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ein Praxisbeispiel geben, das meine frühere Praktikantin Laura involviert. Sie war 2014 in meinem Unternehmen. Mittlerweile ist Laura als selbstständige Grafikdesignerin tätig, und wir sind nach wie vor in Kontakt.

Schon damals zeichnete und illustrierte sie gerne, und die Ergebnisse waren Spitzenklasse. Ihre besten Entwürfe hat sie auf Instagram hochgeladen, was sie als ideale Plattform für ihre visuell hochwertigen und ästhetischen Arbeiten empfand. Laura versah dann ihre Bilder mit Hashtags wie #illustration, #grafikdesign und ähnlichem. Doch schon bald fiel ihr auf, dass ein größeres Unternehmen aus Augsburg ihr folgte und regelmäßig Likes und Kommentare hinterließ. Es folgte ein munterer Austausch, und kaum war ihr Praktikum beendet, konnte Laura ihren ersten Job als Grafikdesignerin in der Marketing-Abteilung dieses Unternehmens anfangen – voll und ganz remote (und das schon 2015). Sie war aktiv von den Augsburger:innen rekrutiert worden – ausschließlich über Instagram.

Was war hier geschehen?

Die aktive Taktik beim Finden von Personal

Das Augsburger Unternehmen hat eine simple Taktik angewandt, um auf Instagram passendes Personal zu finden:

  • Hashtags beobachten: Auf Instagram haben die Verantwortlichen relevante Hashtags identifiziert und beobachtet. Diese Hashtags beinhalteten die, die Laura benutzt hat, also #illustration und #grafikdesign.
  • Interessante Profile identifizieren: Sehr viele Menschen posten zwar Inhalte mit den richtigen Hashtags auf Instagram, aber die wenigsten davon sind für die Position, für die Sie Personal finden möchten, geeignet. Also müssen Sie aus der Vielzahl der Profile die richtigen finden. Unter anderem Lauras Profil ist den Augsburger:innen aufgrund der Qualität ihrer Arbeiten aufgefallen. Diesen Profilen folgte das Unternehmen dann.
  • Profile beobachten: Die interessanten Profile hat das Unternehmen täglich aktiv besucht, damit ihm wirklich keine neuen Posts durch die Lappen gehen konnten.
  • Aufmerksamkeit erregen: Indem der Account des Unternehmens als eine:r der frühesten Kommentator:innen unter Lauras neuen Beiträgen wertschätzende Kommentare hinterlassen hat, fiel er Laura schnell auf. Wertschätzende Kommentare setzen sich individuell mit Bild und Text des Posts auseinander; ein simples »Nice pic! 🔥« war schon immer doof und hat noch nie ausgereicht.
  • In den Austausch gehen: Laura und die Augsburger:innen kamen ins Gespräch, zuerst nur in den Kommentaren. Oft hat sich Laura nur für den Kommentar bedankt, manchmal gab es kleinere Kommentar-Threads. Schließlich, als das Unternehmen sich schon ziemlich sicher sein konnte, dass Laura eine passende Arbeitskraft sein könnte, ging es in die Direktnachrichten. Hier bauten die Verantwortlichen eine tiefere Beziehung zu Laura auf.
  • Testphase: Eines Tages hat das Unternehmen sie mit einer Direktnachricht angeschrieben und gefragt, ob sie offen für ein kleines Grafikprojekt für die hausinterne Marketing-Abteilung sei. Es ging ein wenig hin und her, weil sie ja noch meine Praktikantin war. Schließlich konnte sie das Projekt durchführen und – wie ich nicht anders erwartet habe – mit Bravour meistern. (Und ich konnte dafür sogar noch eine kleine Rechnung schreiben. 🤑)
  • Auswahlphase: Nicht nur Laura war mit einem kleinen Projekt getestet worden, sondern auch andere, die das Augsburger Unternehmen über Instagram gefunden hatte, um neues Personal zu finden. Die Verantwortlichen prüften also, mit wem die Zusammenarbeit am besten lief und wer die besten Ergebnisse geliefert hatte. Und das war meine Laura.
  • Angebot unterbreiten: Kurz nach dem kleinen Projekt bekam Laura eine Direktnachricht, die in etwa so lautete: »Hallo Laura, das Projekt lief so gut, dass wir gerne weiter mit dir zusammenarbeiten würden, möglichst in Festanstellung. Kannst du dir das auch vorstellen?« (Ich weiß noch, wie von den Socken sie war, als sie diese Nachricht bekam. Sie hat sie mir direkt gezeigt.) Es folgten dann Telefonate, um den Vertrag zu verhandeln, den sie aus der Personalabteilung der Augsburger:innen per E-Mail bekam, ausdruckte und damals noch per Post unterschrieben zurückschickte.

Unmittelbar nach ihrem Praktikum ging es also für sie los – ohne Bewerbungsmappe, ohne Vorstellungsgespräch, ohne stressige Suche nach einer Stelle. Das Augsburger Unternehmen hat alles richtig gemacht – zunächst eine Beziehung aufgebaut, dann für eine positive Zusammenarbeit bei einem kleinen Projekt gesorgt, schließlich die Hürden für einen Einstieg so niedrig wie nur irgend möglich gesetzt. Großartig!

Danach ging es noch weiter, denn Laura wollte nicht nach Augsburg umziehen. Sie bekam stattdessen ihr Arbeitsmaterial nach Hause geliefert: einen fertig eingerichteten iMac und ein ebenso vorbereitetes iPhone, einen höhenverstellbaren Schreibtisch sowie einen ergonomischen Bürostuhl und einen Sitzball. Außerdem übernahm das Unternehmen einen Teil ihrer Miete und Nebenkosten für den Arbeitsplatz und die vollen Kosten für einen großen DSL-Anschluss zu Hause. Sie ist nur sehr selten mal nach Augsburg gefahren – hauptsächlich zu den Firmenfeiern. Insgesamt blieb sie mehr als fünf Jahre bei diesem Unternehmen, was außergewöhnlich lang für eine junge Grafikdesignerin in ihrem ersten Job ist – und obwohl die Bezahlung nur knapp über dem Durchschnitt war.

Die passive Taktik beim Finden von Personal

Nachdem das Augsburger Unternehmen ein paar Mal mit meiner Praktikantin in Verbindung getreten war, zeigte sie mir dessen Instagram-Profil, weil sie nicht so recht schlau daraus wurde. Damals waren Instagram-Profile größerer Unternehmen üblicherweise total durchgestylt, aber hier herrschte (scheinbar) ein Chaos. Doch nach kurzer Zeit wurde uns klar, dass die Augsburger:innen mit ihrem eigenen Profil auf Instagram zwei Ziele verfolgten: Vordergründig ging es darum, die Produkte des Unternehmens ansprechend zu präsentieren. Vor allem aber fiel uns auf, dass wir einen ausgesprochen sympathischen Blick hinter die Kulissen gewährt bekamen. Klar: Menschen kaufen lieber sympathischere Marken. Aber sie arbeiten auch lieber für sympathische Unternehmen. Und damit befinden wir uns im Bereich des Employer Brandings.

Employer Branding (oder etwas sperrig auf Deutsch: Arbeitgebermarkenbildung) ist stark verkürzt gesagt das Bestreben eines Unternehmens, sich 
mit Mitteln des Marketings 
so auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren, 
dass es sowohl von potenziellen als auch bestehenden Mitarbeiter:innen 
als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird. So werden neue Talente gewonnen und bestehendes Personal gehalten. Um das zu erreichen, stehen Hunderte Maßnahmen zur Verfügung, die ein Unternehmen nutzen kann, und zu denen zählen auch Social-Media-Auftritte. Übrigens: Ob Sie das Produkt »Schokoladentorte«, »Flugzeugturbinenversandverpackung«, »Social-Media-Beratung« oder eben »toller Arbeitgeber« vermarkten, spielt kaum eine Rolle: Es handelt sich immer um Social-Media-Marketing, und damit kenne ich mich ja einigermaßen aus. (Mein Buch »Social-Media-Marketing für Dummies«, das im Verlag Wiley-VCH erschienen ist, bekommen Sie in jeder Buchhandlung, etwa hier als Kindle oder als Taschenbuch bei Amazon.)

Das Instagram-Profil des Augsburger Unternehmens machte einen sehr sympathischen Eindruck, und Laura und ich stöberten lange durch die hochgeladenen Fotos. Die meisten waren ausgesprochen ansprechend arrangiert fotografiert. Das Unternehmen präsentierte dort seine Entwicklungen, vor allem aber rückte es diejenigen in den Mittelpunkt, die hinter den Produkten steckten – Ingenieur:innen, Elektriker:innen, Mechaniker:innen. Aber auch Verwaltungskräfte, der Hausmeister und die Putzkolonne waren häufig und gut gelaunt dabei. Vor allem zeigte das Unternehmen ganz alltägliche Situationen aus den Werkshallen und den Büros, die ich mal vorsichtig als »Behind the Scenes« bezeichnen möchte. Und das beinhaltete auch das eine oder andere völlig unprofessionell aufgenommene Selfie. Wiederkehrende Stargäste waren verschiedene Kaffeemaschinen und als Running Gag ein Kopierer mit Verstopfungsproblemen.

Dies ist insofern eine passive Taktik, als sie erst dann funktioniert, wenn ein:e Interessent:in das Profil des Unternehmens besucht – und das geschieht weniger häufig, als es den Verantwortlichen in Unternehmen und Agenturen lieb ist. Das Profil fungiert also als eine Art Spinne, die in ihrem Netz darauf wartet, dass ein Insekt kleben bleibt.

Das Versagen von Karriereseiten

Als das Unternehmen ganz zu Beginn Lauras Beiträge auf Instagram zu kommentieren begann, hatte sie sich einmal das Profil der Augsburger:innen angeschaut. Sie hat sogar auf den Link in der Bio des Unternehmens geklickt und war auf der Karriereseite gelandet, wo Dutzende offene Stellen vermerkt waren. Sie fand sogar die vakante Grafikdesign-Stelle und zeigte sie mir (»Guck mal, die suchen genau mich!«). Laura ist also genau dahin gegangen, wo die Personalabteilung sie haben wollte. Sie empfand das Unternehmen als sympathisch. Die Stelle hat ihr zugesagt. – Aber beworben hat sie sich nicht.

Warum nicht? werden Sie sich jetzt vielleicht fragen.

Ganz einfach: Laura hatte keine Lust auf Augsburg. Und das verstehe ich. Wieso sollte jemand auch nach Augsburg wollen, wenn man doch schon Hannover hat? (Nur die Hannoveraner:innen unter Ihnen verstehen, was ich meine. Der Rest der Republik hält diese wunderbare Stadt schließlich für vollkommen öde. Belassen wir es dabei und hüten unser Geheimnis. 😁)

Ein einziger Faktor hat sie also davon abgehalten, sich auf eine eigentlich perfekt zu ihr passende Stelle zu bewerben. Und das ist nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall bei Karriereseiten. Prüfen Sie einmal mit Ihrem Web-Analysetool die Zahl derjenigen, die Ihre Karriereseiten betreten und vergleichen Sie sie mit der Anzahl der darüber eingehenden Bewerbungen. Ein Trauerspiel, so nehme ich an.

Karriereseiten haben allesamt den Nachteil, dass sie sich corporate anfühlen. Sie haben als Besucher:in einer Karriereseite keinerlei Beziehung zum Unternehmen, und Sie haben keine Vorstellung davon, wie die Stelle und Ihre potenziellen Kolleg:innen sich darstellen. Hier kann Social Media aushelfen. Gerade Instagram ist für Employer Branding besonders gut geeignet und unterstützt Sie so beim Personal finden – allerdings in einer recht schmalen demografischen Gruppe. Die größte Gruppe der Instagram-Nutzer:innen ist in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts geboren. Wenn Sie erheblich jüngere Menschen direkt ansprechen wollen, etwa für Ausbildungsplätze, müssen Sie längst auf andere Plattformen wie Snapchat oder TikTok ausweichen; für altere Fachkräfte ist Facebook oft eine gute Wahl.

Grund dafür, dass das Augsburger Unternehmen das richtige Personal finden und die Vakanz in der Marketing-Abteilung fünf ganze Jahre lang mit Laura besetzen konnte, war das Zusammenspiel aus aktiver Ansprache und passivem Employer Branding auf Instagram. Nicht eine Stellenanzeige, nicht die Karriereseite. Es lohnt sich also, Taktiken des Social-Media-Marketings für Ihr Personalwesen zu nutzen.